Außer Spesen viel gewesen – 700 Kilometer für ein gutes Essen

Hier geht es eigentlich gar nicht um Essen, aber irgendwie geht es doch nur ums Essen. Meine Familie war für ein paar Tage nicht zuhause und ich hatte einfach mal Lust mir ein Stück Jugend zurück zu holen. Ich weiß nicht, ob das bekannt ist, aber ich fahre unheimlich gerne Zweirad, also Motorroller, oder Motorrad. Die Kinder streiten sich regelmäßig, wer bei mir mitfahren darf, also würde ich sowas nie tun, wenn die Familie dabei wäre, eine größere Strecke mit dem Zweirad zu fahren. Jetzt hatte ich also mal Zeit für mich und bin abends, nach Feierabend 350 Kilometer von Berlin nach Thüringen gefahren.
Zutaten:
Rindersteak
Spargel
Salzkartoffeln
Butter
Zitrone

Ich hatte immer das Gefühl, dass es im Staufach des Rollers durch die Abwärme des Motors ziemlich heiß wird und mein Plan war, während der Fahrt zwei Stücke Rindersteak zu garen

Das Fleisch habe ich, direkt vor der Abfahrt in Berlin in einen Bratschlauch verpackt

Fleisch in den Bratbeutel packen

Bratbeutel an den Seiten verknoten, damit nichts auslaufen kann.

Ich habe auch extra mein Kerntemperaturthermometer mitgenommen, um zu schauen wie heiß das Fleisch im Staufach wird.. Hier liegt das Paket mit dem Fleisch im Kofferraum der Honda Helix

Ja, hübsch ist sie nach heutigen Maßstäben nicht, aber das ist der Urvater aller modernen Sofaroller und auch wenn der Motor mit seinen 250 ccm, 18 Ps und irgendwo um die 115 km/h Höchstgeschwindigkeit, nicht mehr Stand der Technik ist, kenne ich keinen Roller, auf dem man so gut und entspannt sitzen kann. Deswegen habe ich mich auch total darauf gefreut, mit so einem Schätzchen 350 Kilometer am Stück zu fahren. Das muss fünfzehn Jahre her sein, dass ich mit einem Motorrad so eine Strecke gefahren bin.

Der Weg war echt die Härte. Viel Wind, Nonstop Regen auf 300 von 350 Kilometern und dann ab irgendwann auch noch die Dunkelheit dazu. Bei jeder Spurrille hatte ich Angst, dass es den Roller gleich umhaut. Nach 4,5 Stunden, war ich dann aber trotzdem in Thüringen, namentlich in Rudolstadt angekommen. 

Ich habe gleich mein Fleisch ausgepackt

Fatale Fehleinschätzung. Das Fleisch hatte nach 350 Kilometern noch nicht einmal Körpertemperatur erreicht. Zum Garen mit Motorhitze, suche ich mir für das nächste Mal noch ein anderes Medium. Das Thema essen wurde für’s Erste vertagt.

Ich habe mich dann nach dem Ritt auf dem Roller, mit meinem Freund und Lieblingskoch Stefan Neumann vom Panoramahotel Marienturm mit ein wenig Jim Beam Devil’s Cut und ein paar doppelten Espressi durchgewärmt. Er ist der eigentliche Grund neben meiner Frau, dass ich hier diesen Blog betreibe. Meine Frau hat mir lange in den Ohren gelegen, damit sie Ihren ganzen Mitmüttern online nicht immer umständlich erklären musste, was es bei uns abends zu essen gegeben hat, aber Stefan Neumann ist seit 15 Jahren mein Lieblingskoch und meine Inspiration, wenn es um leckere und bodenständige Küche geht. Ich habe mir dort ganz viel abgeschaut, ohne davon viel Reklame zu machen, aber das hier ist meine Referenz, wenn ich irgendwas auf einer Werteskala einteilen und einordnen soll. Gegen 2 Uhr nachts, kam dann doch noch einmal der kleine Hunger. Es folgten 20 Minuten, die mich ganz schön auf den Boden der Tatsachen zurück geholt haben. Fazit, ein guter Koch lacht sich innerlich darüber tot, wenn man hier jeden Tag seine Rezepte postet und macht das mit verbundenen Augen und auf dem Rücken gefesselten Händen, bei halber Kraft, höchstwahrscheinlich besser, als ich wenn ich bis zu meinem hundertsten Lebensjahr, weiter üben würde. 

Meine erste Lehrstunde war Spargel. Ich mache das auch schon ein paar Jahre und trotzdem weiß ich bei Spargel vorher nie, wie es hinterher schmeckt. Ich salze das Wasser ordentlich und nehme ein bisschen Zucker. Ich gebe das jetzt einfach so weiter, wie ich das Mitten in der Nacht gelernt habe.

Das ist schön, aber eben nicht komplett richtig ordentlich zu salzen, denn Spargelwasser braucht reichlich Zucker, das bringt den Geschmack.

Mal ehrlich, die Wolke im Wasser sieht anders aus, als wenn Ihr oder ich würzen, oder? Dann braucht man sich hinterher auch nicht zu wundern, wenn es nach nichts schmeckt! Ab jetzt nicht mehr schüchtern sein beim Würzen. 

Spargel für 15 Minuten in das nur leicht siedende Wasser geben

Das ist der Grund, warum ich heute so viel Brühe koche! Hier habe ich das vor 15 Jahren zum ersten Mal gesehen und gar nicht in der ganzen Bandbreite erkannt, was das für ein Schatz ist. Asche auf mein Haupt, ich habe immer gedacht, mit sechs Stunden habe ich die Nase vorne… Alles Mädchenkram, eine richtige Brühe wird zwei Tage gekocht! Einfach mal probieren, der reine Wahnsinn. Ich gehe dann mal wieder…  Wie verhält man sich da? Gute Frage. Jede selbst gekochte Brühe ist besser als eine gekaufte und in einer professionellen Küche ist das eben Tagesgeschäft und läuft so nebenher. Wenn man sein Geld zuhause verdienen würde, könnte man es vielleicht auch noch machen, aber das ist für mich der Beleg, dass es eben einen Unterschied macht, ob ich sowas beruflich mache und das auch noch gerne und vor allem gut, oder ob ich mich privat einfach nur gerne besser ernähre, als der Tütenkunde. Wenn es ein gelernter Koch nach fast 40 Jahren nicht besser kann als ich, dann hätte er irgendwas falsch gemacht. Es überkommt mich ein Gefühl von Neid 😉

Auf dem Herd ist schwer was los, die geklärte Butter, die am Ende über den Spargel kommt, steht auf dem Herd und die Pfanne für die Steaks wird auch langsam heiß.

Seit ewigen Jahren probiert man alles aus, damit das Fleisch zart wird und am Ende gut schmeckt. Das gehört doch eigentlich schon zum guten Ton, es vor dem Braten nicht zu salzen, zu pfeffern, oder anderweitig zu würzen. Geklopft wird es natürlich vorher auch nicht. Ähm… 

Das vorher geklopfte, und nach allen Regeln der Kunst gewürzte Stück Steak kommt in die gut gefettete Pfanne. Natürlich geht man auch nicht mit der Temperatur runter, sondern zieht die Vollgastemperatur komplett durch. Das ist übrigens das Fleisch, das ich vorher im Kofferraum des Rollers transportiert habe.

Medium in insgesamt 5 bis 6 Minuten von beiden Seiten.

Für so ein Steak, wäre ich auch zu Fuß gekommen.

Wo wir uns sowieso schon gerade am Jim Beam Devil’s Cut vergnügen, kann das Fleisch davon auch noch ein wenig haben.
Alter!!

Jetzt wird es ein wenig gelbstichig, weil das unter der Warmhaltebrücke fotografiert wurde.

Ordinäre Salzkartoffeln, die aber auch nach dem gleichen nicht schüchternen Gewürzprinzip, wirklich nach Salzkartoffeln schmecken

Ein bisschen Zitrone, die man hinterher über dem Spargel ausdrücken kann

Das total saftige Steak, das auch drei mal so groß hätte sein können, aber ich selbst habe es ja so klein gekauft (250 Gramm)

Schnell noch den Spargel darüber geben.

Klingt total einfach und unspektakulär, stellt aber 99 % aller Gerichte, die ich jemals gegessen habe in den Schatten, weil man dieses Basisgericht, im Normalfall nicht so perfekt zubereitet bekommt.

Das sollte jeder mal gegessen haben und das Ziel sollte danach sein, selbst möglichst nah an dieses Original heran zu kommen.

Anrichten war um die Uhrzeit eher nebensächlich, bevor sich hier die Schöngeister auf den Plan gerufen fühlen.

Hier kommt noch die zerlassene und geklärte Butter.

Was für ein Fest! Spargel, der so schmeckt, wie man ihn selbst gekocht, noch sie so schmecken lassen hat, ein zartes Steak aus Supermarktfleisch (allerdings 14 Tage gereift), so zart, dass es unter der Gabel zerfällt, Salzkartoffeln die ihren Namen nicht umsonst bekommen haben, ein bisschen Butter und ein Stück Zitrone. 

Mir stellt sich dabei die Frage, wieso man so viel Mühe darauf verwendet, Reduktionen, Emulsionen, von, an und bei in Symobiose mit, zu fabrizieren, wenn einem dann in 20 Minuten, so ein richtiger Koch, diesen schlichten Teller vor die Nase stellt und man sich spontan fragt, warum der ganze Aufwand, wenn man DAS so nicht hin bekommen würde?


Ich habe das Erlebnis noch mit weiterem Jim Beam Devils cut analysiert und bin zu dem Ergebnis gekommmen, dass Aufgeben, die falsche Antwort wäre. Da hilft es nur noch besser zu werden.

Einen sonnig, windigen Rückweg später, auf dem ich mir viele Gedanken gemacht habe, war meine erste Amtshandlung, den Spargel so zu kochen, wie ich mutmaße, dass es der große Meister auch tun würde. Der kommt mangels Originalität natürlich nicht an das Original heran, aber es ist in Sachen Spargelgeschmack schon ein Quantensprung für jeden anderen.

Danke, Stefan Neumann. Ich weiß, Du würdest niemals Erdbeerdressing über Deinen Spargel kippen, aber da wo ich koche, war noch nie jemand bei dir Essen und das ist hier kochen für doofe, die so immer noch einen Grund haben bei dir vorbei zu kommen.

Meine Konsequenz aus diesem Abend ist jedenfalls, beim Würzen richtig draufhalten, beim Zubereiten nicht ängstlich zu sein, bei den Temperaturen nicht so rumtun und einfach noch besser zu werden, beim Finden der Garpunkte. Das Lernen hört halt nie auf und das ist ja eigentlich auch schön so, dass es immer weiter geht. Wir lesen uns, ich muss Euch ja noch erzählen, wie ich mein neues Wissen, bei dem Schnitzel mit Spargel angewendet habe.

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