Jägerschnitzel – Ein echter Klassiker der DDR Küche

Habt Ihr schon mal gesehen wie sich Hunde und Katzen miteinander unterhalten? Der Hund wedelt mit dem Schwanz und sagt, ich will mit Dir spielen, die Katze wedelt auch mit dem Schwanz und sagt, ich haue dir gleich was auf die Fresse!

Vierzig Jahre Teilung haben gereicht, um auch innerdeutsch für ein paar Sprachverwirrtheiten zu sorgen. Wo im Westen der Koch das Schweineschnitzel paniert und die Pilze klein hackt, wird im Osten die Fleischwurst gepellt und das Letscho  aus dem Glas geholt, wenn man vom Jägerschnitzel spricht. Ich pelle hier für Euch auch die Fleischwurst aus der Hülle, aber wir machen alles frisch, um dem Ostklassiker ein wenig Klasse zu verleihen und um ihm den Charakter einer Schulspeisung in der Kantine, zu nehmen. Für die Entstehung solcher Produkte in der DDR, war eigentlich immer der Mangel an irgendwas verantwortlich. Jägerschnitzel war im Westen ein feststehender Begriff und im Osten wollte man da auch nicht hinten anstehen. Wenn man keine Oberschale vom Schwein bekommen hat, dann hat man halt Fleischwurst genommen, die man immer bekommen konnte. Rückblickend und zu Zeiten in denen man die freie Auswahl hat, ob man das eine, oder das andere haben möchte, ist das doch ein sehr sympathischer und findiger Wesenszug gewesen.

 

Zutaten für 4 Personen
 
1 Kilo Fleischwurst
4 Eier
Mehl
Paniermehl
500 Gramm Spirelli Nudeln
1 Kilo Kartoffeln, wenn der Klassenfeind mit am Tisch sitzt.
Für die Soße:
2 Dosen Tomaten
3 Zwiebeln
1 Knoblauchknolle
1 Peperoni
Salz
Pfeffer
Zucker
Essig
Wacholderbeeren
Lorbeerblatt

 

Heute lassen wir es mal richtig Krachen und nehmen uns kein Letcho, oder eine Tomatensoße aus dem Glas, oder irgendwie anders vorgefertigt, sondern machen alles von Hand. Weil die Tomatensoße am längsten dauert und vor allem auch späteres Erwärmen verzeiht, fangen wir damit an. Letscho ist es nicht, weil ich keine Paprika dazu genommen habe.

 

Drei Zwiebeln, eine Knoblauchknolle und eine Peperoni sind eine gute Basis für eine Soße, die fetzt, wie der Ostbürger von Welt sagen würde.

 

Alles abziehen und in kleine Stücke schneiden

 

Ich bin jetzt mal davon ausgegangen, dass Olivenöl in der Zone Bückware gewesen ist, deswegen habe ich die Zutaten mit Pflanzenöl angebraten und mit einem ordentlichen Schlag Zucker, Salz und Pfeffer gewürzt. Da drehe ich auf mittlere Hitze runter und unter ständigem Rühren, brate ich das Gemüse glasig.

 

Wenn Zwiebeln, Knoblauch und Peperoni schon leicht Farbe bekommen haben, gebe ich zwei Dosen Tomaten, die Wacholderbeeren und das Lorbeerblatt. Wenn es kurz aufgekocht ist, stelle ich den Herd auf kleinste Flamme runter.

 

Dann gebe ich einen kräftigen Schuß Essig in die Tomatensoße. Wenn ich das Gefühl habe, dass es zu sauer ist, gleiche ich das mit Zucker wieder aus. Den finalen Geschmack mache ich mir erst kurz vor dem Servieren, wenn die Konsistenz stimmt.

 

Ich koche gerne alles eine Stunde ein, aber dafür reicht auch eine halbe Stunde. Wenn Ihr zu viel Hitze hattet, könnt Ihr wieder mit Wasser auffüllen und lasst es dann einfach wieder reduzieren. Da kann man nicht viel falsch machen. Somit sie die Soße jetzt erstmal abgehakt.

 

Weil ich gerne zu allem Salat esse, habe ich extra beim Kochen noch meinen alten verdienen Werktätigen und Kollegen Bernd vom Sofa hochgeklingelt und gefragt, was gab es denn immer ohne Probleme in der DDR zu kaufen, wenn man einen Salat wollte? Ich hatte mir das schon so ausgemalt, wie er mir bestätigt hat, dass es immer Weißkraut, Rotkraut und Gurken gab. Daraus habe ich dann noch einen stilechten Ostsalat zu den Jägerschnitzeln gemacht. Er hat mich dann auch noch darauf hingewiesen, dass Jägerschnitzel unbedingt mit ETW serviert wird. Ich habe gerätselt, ob das Einheitsteigwaren heißen soll und er mich dann dahingehend korrigiert, dass es Eierteigwaren bedeutet und dass es vor allem Spirellis zu sein haben, damit es stilecht ostgotisch ist. Wird gemacht, Genosse Bernd, Spirelli in elf Minuten. Wasser setze ich schon mal auf und wenn ich die Spirelli ins Wasser werfe, muss das Jägerschnitzel paniert und das Fett in der Pfanne heiß sein.
Kartoffeln dauern übrigens zwanzig Minuten.
Kommen wir nun zum Namensgeber unserer Mahlzeit, dem Jägerschnitzel

 

 

Fleischwurst in Scheiben schneiden. Wenn man eine mit mehr Durchmesser bekommt, umso besser.

 

 

Für das Panieren der Jägerschnitzel, nutzen wir das bewährte drei Teller Prinzip

 

 

Teller eins ist mit Mehl gefüllt. Da drücken wir die Fleischwurstscheiben zuerst rein. Das hat den Effekt, dass die Panade hinterher gut an den Scheiben haften bleibt.

 

 

Teller zwei ist mit 4 Eier gefüllt, die mit Salz und Pfeffer gewürzt und hinterher mit einer Gabel verrührt wurden. Das verquirlte Ei ist sowas wie unser Kleister, damit die Panierung am Ende auch nicht wieder abfällt.

 

 

Da fotografiert man alles doppelt und dann hat man von der Wurstscheibe im Paniermehl nur so ein Schattenspiel. Der guten Ordnung halber, ist hier Teller Nummer drei mit dem Paniermehl.

 

 

Die fertig panierten Jägerschnitzel lagere ich auf einer Unterlage, an der die Panade nicht haften bleiben kann, damit sie noch ein wenig anzieht. Ich habe dafür diverse Plastikbretter in verschiedenen Größen.

 

 

Pflanzenfett in einer Pfanne erhitzen. Wenn man paniertes Bratgut braten möchte, muss man soviel Fett in der Pfanne haben, dass die Jägerschnitzel auf einem Ölfilm schwimmen. Nimmt man nicht genug Öl, dann fällt die Panade leicht ab, deswegen dabei nicht geizen. Das Pflanzenfett hat die richtige Temperatur, wenn man mit einem Holzpfannenwender in die Pfanne geht und dann Blasen daran aufsteigen. Die Jägerschnitzel in die Pfanne legen und dann auf mittlere Hitze runterdrehen, sonst bekommt man Brandenburger und befüllt nur den Mülleimer, statt den Magen.

 

 

Pro Seite rechne ich drei Minuten Bratzeit.

 

 

Ein Kilo Fleischwurst braucht entweder zwei Pfannen, oder man brät die Jägerschnitzel in zwei Durchgängen. Die erste Ladung läßt man dann bei 100 Grad, oder Stude 1 auf dem Gasofen auf einem Blech im Ofen ruhen. Das halten die Jägerschnitzel ohne Qualitätsverlust die sechs Minuten durch, bis die zweite Ladung fertig ist.
So müssen die Jägerschnitzel aussehen. Schön goldbraun und knusprig mit einer feurigen Tomatensoße.

 

Stilecht serviert mit Spirelli, wie in der HO Gaststätte

 

Ich finde das extrem lecker und wenn es mit Liebe gemacht ist, schmeckt es weder nach Mangelwirtschaft noch nach Surrogat für irgendwas aus dem Westen. Das steht für sich selbst und das ist gut so. Vielleicht hätten sie es nur nicht Jägerschnitzel, sondern so sperrig, wie die anderen Wortungetüme Ost, panierte Fleischwurst nach Art des sozialistischen Jagdbeauftragen, nennen sollen.

 

Der Klassenfeind setzt auch noch mal einen drauf und serviert sich das Jägerschnitzel mit Salzkartoffeln

 

Dafür wäre ich früher sicherlich erstmal fünf Jahre nach Bautzen gegangen.

 

Ist ja schon gut, hier noch einmal in der richtigen Version mit Spirelli Nudeln. Jenseits von Helmstedt ist das bestimmt im Restaurant schwer zu bekommen. Ich lese das immer wieder in irgendwelchen Foren, dass sich versprengte Ex DDR Bürger darüber beklagen, dass es im Westen keine Ost Produkte im Supermarkt zu kaufen gibt. Dann macht Sie Euch doch selbst! Die schmecken hier in der Zone im Glas und aus der Dose auch nicht besser, als wenn man die in den Westen trägt, also wofür sollen die gut sein?

 

Ich würde mich freuen, wenn meine Freunde im kapitalistischen Währungsraum, diesem authentischen Stück, kulinarischer Kulturhistorie eine Chance geben würden. Meine Frau fand es ganz toll und meine beiden kleinen Damen haben beim Essen geschwärmt, dass es das beste ist, was sie je gegessen haben. Ich wünsche viel Spaß beim Nachkochen und einen guten Appetit.

 

 

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13 Kommentare

  • Herrlichgeschrieben…ich musste so lachen!! Jägerschnitzel war zwar früher nicht meine Lieblingsspeise, aber immerhin auch nicht die verschmähteste.

    Bei uns gbts im Moment oft Eier in Senfsosse! Muss dirket mal schauen, ob Du darüber schon gebloggt hast.

    Schönen Sonntag
    Melli

    • mensch melli, du auch? ich wußte gar nicht, dass du auch aus der zone kommst. das ist für mich ganz dünnes eis, wenn ich mich an der ostküche versuche. das ist nur damit zu vergleichen, wenn ich gelernte köche bei mir als essensgäste bewirte. dann habe ich auch immer richtig lampenfieber, weil ich denen nix vormachen kann. so geht es mir bei essen aus einem anderen "kulturkreis" auch, weil das nicht meine wurzeln sind. umso schöner, wenn es dann nicht in der luft zerrissen wird. eier mit senfsoße sind nicht so mein favorit, gab es im westen auch, aber immer nur mit so scheußlichem tiefkühlspinat. da habe ich wohl noch ein wenig zu recherchieren, bis das meinem anspruch an ein leckeres essen genügt. wird gemacht. schönen gruß jörg

  • wieder wunderbar geschrieben! Jägerschnitzel mögen wir noch immer sehr…bei uns mit Kartoffelbrei ;-P
    wünsche Euch einen schönen Sonntag
    anja

    • kartoffelbrei wäre wohl zehn jahre bautzen gewesen. freut mich total, wenn es euch gefällt. das ist bei mir ja nur aus zweiter hand und aus dem vorstellungsvermögen entstanden, wenn ich mich an solche ostklassiker heran wage.

  • Mmmm ich habe sie auch geliebt. Jetzt habe ich sie auch meinen Kindern gemacht und wie dat so is bei muddern, Kindern schmeckte es so jut, dat es des jetzt öfters jeden kann. ��

  • Also Jägerschnitzel wird aus Jagdwurst und nicht aus Fleischwurst gemacht und es werden Makkaroni und keine Spirelli verwendet.

  • Silke

    Bei uns in der Schulkantine gab es die auch mit Spirelli. Scharfes kommt nicht dran, dafür aber Ketchup.
    Als Kind war es eines der besseren Essen, die die Schulküche zu bieten hatte.
    Wir hatten auch gute und leckere Essen, allerdings war die Schule nicht unbedingt der Ort, wo dies umgesetzt werden konnte.

    Doch das Essen in den Mensen ist heutzutage auch nicht toll.

    In der Schule gab es für jedes Kind jeden Tag eine Flasche Milch zum Frühstück. Erdbeer, Vanille, Schoko.

    Zur Zeit wird Deutschland von der UN angemahnt, dass Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen. Viele Kinder leben in Armut. Die Chancen auf Bildung sind ungleich verteilt.

    Es ist viel zu tun und das hat nichts mit Ost oder West zu tun. Die Mauer haben wir doch alle längst hinter uns gelassen.

    Senfeier wurden einfach nur mit Salzkartoffeln gegessen. Da kam kein Gemüse dazu, aber ein Gurken- oder anderer Salat.

    LG Silke

    • hallo silke, vielen dank für deinen kommentar. das rezept ist vier jahre alt. damals habe ich noch nicht mit mehlschwitze gearbeitet und war noch eher auf letscho.
      vieles würde ich heute anders zubereiten, oder anders interpretieren. ich bin froh, dass ich im westen aufgewachsen bin und bin jetzt aber auch gerne im osten und freue mich über die lokalen eigenheiten.

  • Helmut

    Auch wenn diese Diskussion schon etwas her ist. Meine Erfahrungen sind echt, aus den Küchen Altentreptow/Schwerin. Ach, schön, dass man so über Essen reden kann. Jagdwurst, Makkaroni-so kenne ich das aus der Schulspeisung auch noch von den 60ern bis in die 80er. Nicht scharf, aber süßlich. Tomatensoße gab’s bei uns dazu. Geht hier immer!

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