Buletten à la DDR “mit nüscht drinne”

Mit dem Alter kommt das schlechte Gedächtnis. Ich sitze hier gerade vor dem Kochbuch “von Apfelkartoffeln bis Zwiebelkuchen” vom VEB Fachbuchverlag Leipzig, aus den achtziger Jahren. Da ich niemals das Staatsgebiet der DDR betreten habe, stellt sich mir die Frage von wem ich das Buch habe? Ehemalige Lebensgefährtin Antje, mein Rotkäppchen Katja, Angela, Angelika?  Wenn Ihr das hier lest, pauschal danke für die Buchspenden, die mich immer neue Dinge ausprobieren lassen. Für mich bedeutet das häufig zurück in die Vergangenheit zu gehen, um heute und morgen besser kochen zu können. 




Zutaten:

1 Kilo Schweinehack
2 Schrippen
0,2 Liter Milch / Wasser
2 Eier
Salz
Pfeffer
1 Prise Muskatnuss
Pflanzenöl
Butter

Soße:

Bratfett
2 Esslöffel Mehl
0,7 Liter Brühe
Salz
Pfeffer
2 Teelöffel Senf

Ich weiß, das ist schon wieder ganz dünnes Eis, weil jeder sein Spezialrezept für Frikadellen hat. Wenn man die Zutatenliste liest, dann ist die echt dünn, weil weder Zwiebeln, noch Knoblauch drin sind und weil damit niemand vorher noch verrückte Dinge anstellt, wie sie zu karamellisieren, linksherum, oder gegen den Mond zu wenden, sondern das ist ein echtes Basisrezept, wenn man noch mal ein altes Brötchen zu neuen Ehren kommen lassen will, ohne Goldkante. Das sollte man erstmal gemacht haben, bevor man sich mit dem neuzeitlichen Chichi beschäftigt. Das Buch enthält Rezepte aus allen Teilen der DDR und dieses findet man unter der Rubrik  “Rund um den Alex”, also Berlin und Umgebung. Das Originalrezept heißt einfach nur “Buletten”, den Rest des Titels habe ich so gestaltet, damit man weiß, was einen beim Lesen erwartet. 

Als Beilage gibt es einen Kartoffelsalat mit Gurken, Eiern und Brühe

Zwei Schrippen (oder Baguette vom Klassenfeind) zerkleinern

Ich nehme mein Messer und schneide so kleine Stücke, dass sie sich hinterher mit dem Hackfleisch verkneten lassen und den Bulettenteig locker erscheinen lassen.

Brot in eine Schüssel geben

0,2 Liter Milch in die Schüssel geben und das Brot damit vollsaugen lassen. Verdiente Werktätige haben mich aber sofort nach Veröffentlichung des Rezepts darauf hingewiesen, dass sie Wasser verwenden und keine Milch. Alles kann, nichts muss.

Sehr gut

Zwei Eier 

Die kommen jetzt noch zum Brot in der Milch dazu.
Hier kommt mein Hackfleisch. Ein Kilo bestes Schweinehack aus dem Mix Markt Marzahn mit 30 % Fettgehalt. Da bleibt kein Auge trocken und das hätte ich mir früher in 100 kalten Wintern nicht gekauft, mit dem Verweis auf den Fettgehalt. Aber es ist, wie es ist. Fett ist Geschmacksträger und bei dem Hackfleisch weiß ich, dass es hinterher schmeckt. Also wenn Euch beim Metzger mal sowas über den Weg läuft, einfach mitnehmen. Damit schmeckt alles gleich noch viel vollmundiger. 

Hackfleisch mit dem Brot, Ei. Milchgemisch in eine Schüssel umfüllen.

Salz, Pfeffer, Muskatnuss

Nun muss das alles verknetet werden.

Die Frikadellenmasse soll ordentlich verknetet sein und die Buletten, wir sind schließlich in Berlin, sollen circa 2 cm hoch sein und um die 100 Gramm pro Stück wiegen.

Wenn ich nur 500 Gramm Fleisch als Ausgangsmenge hätte, würde eine Pfannenladung reichen, aber so, muss ich das in zwei Ladungen erledigen. Deswegen stelle ich den Ofen schon mal auf kleinster Stufe an, damit die Buletten aus der Pfanne, noch im Ofen nachgaren können, während die zweite Ladung auf dem Herd steht.

Das DDR Rezept sagt Margarine und Schmalz. Margarine nehme ich nicht wegen des Palmölgehalts und Schmalz ist gerade alle. Deswegen nehme ich Pflanzenöl und Butter zum Braten. Herd volle Pulle anheizen, wenn die Buletten in die Pfanne kommen, auf halbe Kraft runtergehen. 

Nach 5 Minuten wenden. Wenn die Buletten dann zu dunkel sind, geht noch ein wenig runter mit der Temperatur.

Nach zehn Minuten in der Pfanne, kommen die Frikadellen in die Ofenform, bei 80 Grad in den Ofen zum Nachziehen . Da können sie bis die nächsten Buletten in der Pfanne fertig sind, lagern ohne furztrocken zu werden. Die zweite Pfannenladung landet da auch noch, weil wir ja noch eine Soße machen (können). Man kann die Buletten natürlich auch nur mit Senf, oder Ketchup essen, aber es ist Sonntag und Familienessen.

Das Fett vom Frikadellenbraten in einen Topf geben. (Meine Pfanne war schon wieder im Einsatz für Zucchiniwünsche der Damen)

2 Esslöffel Mehl im Fett anschwitzen und anbräunen lassen
0,75 Liter Brühe

Brühe langsam einrühren, Platte auf Volldampf laufen lassen. Sobald die Soße kocht, auf die kleinste Platte auf kleinster Stufe umziehen und zwei Teelöffel Senf einrühren. Wenn die Konsistenz gut ist, Herd abstellen

Kartoffelsalat fertigstellen, wenn es sowas bei Euch auch gibt,einigen wir uns auf Beilagen

Und hier isse, die 1a DDR Bulette “mit nüscht drinne” außer Fleesch vom Schween, weeßte?

Für ein bisschen Dekadenz gibt es nun noch die Soße.

Merke, es war nicht alles schlecht in der DDR.

Hier gibt es die besoßte Bulette sogar noch mit echtem Bückwarengemüse. Butterzucchini, die es in der DDR eigentlich nicht zu kaufen gab und deren Sämereien vor allem in Westpaketen den Weg auf die Datsche fanden. Das Rezept zeige ich Euch in den nächsten Tagen.

Die Familie frisst wie die Raupen, auch die Kinder ordern eine Bulette, nach der anderen. Recht haben sie, denn die Kombi aus Bulette, Soße, Kartoffelsalat und Zucchini hat echt Weltniveau.

Das ist echt der Hammer, wie zart die Buletten sind, aber kein Wunder bei dem Fettgehalt und dem eingekneteten Brot. Da kann man Rind so gerne mögen wie ich, das kommt da nicht mit. 

Das wird Euch auch gefallen und wer oft so ein Geziege am Tisch hat, dass dies nicht und das nicht gegessen werden soll und plötzlich essen da alle ganz einträchtig und wollen einfach immer nur noch mehr, dann weiß man, dass das ein gutes Rezept ist. 

Sehr zu empfehlen, Buletten á la DDR “mit nüscht drin” Ich wünsche viel Spaß beim Nachkochen und einen guten Appetit. 

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24 Kommentare

  • Hihi, amüsant zu lesen. Wenn bei mir zu Hause kein "altes" Brötchen da war, hat die Mutter immer geriebene Semmel in eine kleine Schale und mit wenig Wasser angerührt. Funktioniert sowohl bei Muttern als auch in meinem Haushalt und Semmelbrösel sind eigentlich immer da ( wie Brühe, hihi). Bei ubns in Sachsen kamen schon immer Zwiebeln mit rein, halt klein gehackt mit dem Multiboy. LG Silvi

    • hallo silvi, multiboy ist so ein kleiner elektrischer krachmacher, oder? den habe ich schon mal irgendwo gesehen. ich glaube in der kenwoodgruppe hat mal jemand darüber referiert. ich habe früher nie brot an frikadellen gemacht, weil ich dachte, dass es hochwertiger wäre, das reine fleisch zu verwenden. mit dem alter, hat die einsicht gewonnen, das die buletten dann nicht so trocken sind. brühe ist gaaaaanz wichtig. schönen gruß vom klassenfeind.

  • Herrlicher Artikel!
    Sehr unterhaltsam und schön zu lesen!

  • Wenn ich (gelernter DDR-Bürger) aus dem Nähkästchen plaudern darf: Das Bulettenrezept kommt mir sehr bekannt vor. Allerdings hat Muttern selig auch immer ein wenig experiementiert, und so wurde in den rohen Bulettenteig auch immer noch etwas Quark eingearbeitet. Das sorgte für überragende Saftigkeit trotz leicht übertriebener Durchbratsicherheit.
    Eine kleine "Einfallslos"-Kritik muss ich aber doch loswerden. Zumindest bei uns zu Hause gab es nie solche komische Soße dazu. 😉 Zu den Salzkartoffeln, die es als Sättigungsbeilage gab, wurde "Quer durch den Garten" zum Überfüllen gereicht. Das war Gemüse in kleiner Form (Erbsen, Möhrenwürfel, Kohlrabiwürfel, Schnippelbohnen, was es eben gab), deren Kochwasser aka Gemüsebrühe mit Mehl und Milch angedickt wurde. Fast eine Mehlschwitze, nur ohne Schwitze. 😉
    Achja, die Erinnerungen. Ich bekomme gerade wieder Pupertätspickel … 😉

    • gelernter ddr bürger gefällt mir immer ausnehmend gut.

    • Quark im Hackfleischteig ist sogar eine Geheimwaffe der gehobenen Gastronomie. Damit kann das Ei auch komplett ersetzen. Das Eiweiß im Quark trägt auch zur Bindung bei und eine etwaige Salmonellengefahr bleibt aus.

      Eine Bulette (oder Frikadelle, wie wir hier im Westen sagen) ohne eingeweichtes Brot ist für mich undenkbar. Semmelbrösel, insbesondere die aus der Pappschachtel, haben da drin nichts zu suchen. Milch ist zum Einweichen optimal, aber wenn ich schon Quark im Teig habe, geht auch Wasser.

      Ach ja, etwas Majoran hebt den Geschmack enorm. Ich weiß nur nicht, ob es den damals in der SBZ gab. 😉

    • hört hört, dann mache ich irgendwann mal quarkbuletten

    • Ich vermelde aus der Ostzone, dass es bei uns Majoran gab (brauchten wir ja auch für den Mutzbraten) und kann bestätigen, dass selbiger – also der Majoran – in der Tat an Mutters Klopse (so hießen die Dinger hier) mit ran gehörte. Eingeweichte Brötchen natürlich (wurden nicht mal klein geschnippelt, wenn die richtig aufgeweicht sind ist das egal) und kleingehackte Zwiebeln nicht vergessen.

    • ich ärgere mich echt, dass ich das nie live erlebt habe, aber vielleicht war ich einfach noch zu jung und angst hatten sowieso alle, dass sie nicht wieder raus kommen, wenn sie erstmal in der ddr drin waren. ostzone ist doch echt ein geiles wort. ich feiere dich, genosse jahn, fast wie den fliegerkosmonauten.

  • Oma hat auch immer Wasser genommen, für die Schrippe. Milch war eine Kostbarkeit!

    • kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass die knapp, oder teuer war

    • Zumindest in den 1970er und 80er Jahren hatten wir immer Milch und sogar fast immer Butter. Gutes Fleisch war dagegen eine Rarität, genauso wie frisches Obst/Gemüse – außer man hatte das Glück, auf dem Land zu wohnen oder wenigstens einen sog. Kleingarten zu haben.

      • Andreas

        Michael Jahn Dein Zitat:Gutes Fleisch war dagegen eine Rarität, genauso wie frisches Obst/Gemüse – Dafür gabs aber heimisches Gemüse und Fleisch.Wie schmecken Dir jetzt die Tomaten aus Marokko,Gurken aus Holland oder Fleisch aus JWD ?

        • das sind aber neuere sichtweisen, was saison und herkunft betrifft. damals hat man auch im westen nur irgendwas danach beurteilt, ob man es haben kann und nicht, ob es auch einen sinn ergibt. die frage nach dem geschmack und dem umweltaspekt hat sich der normalbürger damals nicht gestellt. das ist erst eine ansicht aus den zweitausendern. heute würde man die versorgungslage sicherlich anders betrachten und sagen, da gab es halt immer das, was gerade saison hatte und würde es nicht als mangelwirtschaft bezeichnen. was eigentlich knapp war, waren dinge, die mit devisen gekauft werden mussten. ich bin kein freund der ddr und bin froh, dass ich da nie leben musste. die haben aus der situation heraus dinge richtig gemacht, für die man im westen vor allem einsicht braucht. man kann sich mit geld alles kaufen, aber keinen geschmack und keine jahreszeit.

    • und heute haste sogar einen esge zauberstab, wenn auch nur das kleine modell 😉

  • Der beste Kochblog, super Rezepte und oft witzig zu lesen.

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  • Philipp Küntzelmann

    Was für eine Brühe wird denn da genommen?

    • gemüsebrühe ist die blutgruppe null zu allem. Ansonsten kannste eisbeinbrühe, oder wenn du keinen wert auf sortenreinheit legst auch hühnerbrühe, oder rind nehmen. hauptsache keine gekörnte brühe, finde ich.

  • Brigitta

    Als alte West- Berlinerin lese ich zum ersten Mal wieder ein Rezept über Bouletten aus Schweinehack/ Hackepeter.Sämtliche Rezepte gibt es nur mit gemischtem Hack,doch in den Kneipen der 50er Jahre waren die immer aus Schwein.Super Artikel- ich bin begeistert.

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